DISCLAIMER - ZU DEN VERWENDETEN ZAHLEN DER SEPSIS STIFTUNG

KOMMENTAR ZU DEN VERÖFFENTLICHTEN SEPSIS-ZAHLEN


Die Sepsis Stiftung verwendet für ihre Aussagen zur Sepsis-Häufigkeit in Deutschland die Ergebnisse der nicht repräsentativen OPTIMISE-Studie, deren Ergebnisse im Fachjournal Infection veröffentlicht wurden. Diese Studie zeigt, dass mehr als 700 pro 100.000 Einwohner jährlich von Sepsis betroffen sein könnten, was in Deutschland auf über 500.000 Patienten*innen pro Jahr hinausläuft. Diese Zahlen stimmen mit aktuellen Ergebnissen aus repräsentativen Studien aus den USA und Schweden überein, die ebenfalls über 700 Sepsisfälle pro 100.000 Einwohner jährlich ermittelt haben.¹


Die in der Kampagne #DeutschlandErkenntSepsis (#DES) genutzten Zahlen stammen hingegen aus dem Bericht „Entwicklung eines Qualitätssicherungsverfahrens ‚Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Sepsis‘“ des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) vom 31.05.2022. Diese basieren auf den nach ICD-10-GM (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) in deutschen Krankenhäusern kodierten Sepsis-Fällen aus dem Jahr 2019. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die tatsächliche Anzahl der Sepsis-Erkrankungen in Deutschland deutlich höher liegt, was auf folgende Gründe zurückzuführen ist:



  • Behandelnde Ärztinnen und Ärzte benennen nur rund die Hälfte der tatsächlichen Sepsisfälle korrekt in der Patientenakte.²

  • In den Abrechnungsdaten, die als Datenquellen für epidemiologische Schätzzahlen dienen, wird nur ein Drittel der tatsächlich auftretenden Fälle über entsprechende ICD-Codes erfasst.²

  • Fälle der viralen Sepsis – z.B. als Folge einer Grippe oder von Covid-19 – werden in der Regel in den Krankenakten nicht als solche dokumentiert³ und waren vor dem Jahr 2023 im deutschen ICD-10 gar nicht abbildbar.

  • Sepsis, die außerhalb des Krankenhauses auftritt, wird nicht erfasst, obwohl Schätzungen zufolge 14 Prozent aller durch Sepsis ausgelösten Todesfälle auf diese Fälle zurückzuführen sind.⁴


Grundsätzlich werden in Deutschland Todes- und Krankheitsursachen weder im ambulanten noch im stationären Bereich systematisch erfasst und dokumentiert. Dies gilt insbesondere für unterschätzte Krankheiten wie Sepsis, sodass die tatsächliche Fallzahl nur geschätzt werden kann. Die Mehrheit der #DES-Partner haben sich auf die Nutzung der in der Kampagne genannten Zahlen geeinigt, da diese trotz ihrer methodischen Einschränkungen ausreichen, um den Handlungsbedarf im Sinne einer besseren Aufklärung über die Vermeidbarkeit, Früherkennung und Behandlungsnotwendigkeit von Sepsis als Notfall zu verdeutlichen.


FUSSNOTEN

(1) Schwarzkopf, D., Rose, N., Fleischmann-Struzek, C., Boden, B., Dorow, H., Edel, A., . . . Reinhart, K. (2023). Understanding the biases to sepsis surveillance and quality assurance caused by inaccurate coding in administrative health data. Infection. doi:10.1007/s15010-023-02091-y
(2) Karakike, E., Giamarellos-Bourboulis, E. J., Kyprianou, M., Fleischmann-Struzek, C., Pletz, M. W., Netea, M. G., . . . Kyriazopoulou, E. (2021). Coronavirus Disease 2019 as Cause of Viral Sepsis: A Systematic Review and Meta-Analysis. Critical Care Medicine. doi:10.1097/ccm.0000000000005195
(3) Rhee, C., Dantes, R., Epstein, L., Murphy, D. J., Seymour, C. W., Iwashyna, T. J., . . . Klompas, M. (2017). Incidence and trends of sepsis in US hospitals using clinical vs claims data, 2009-2014. Jama-Journal of the American Medical Association, 318(13), 1241-1249. doi:10.1001/jama.2017.13836
(4) Mellhammar, L., Wollter, E., Dahlberg, J., Donovan, B., Olséen, C.-J., Wiking, P. O., . . . Linder, A. (2023). Estimating Sepsis Incidence Using Administrative Data and Clinical Medical Record Review. JAMA Network Open, 6(8), e2331168-e2331168. doi:10.1001/jamanetworkopen.2023.31168